Mehr als nur ein Fleischwolf

Mehr als nur ein Fleischwolf

Im Augenblick wird gerade viel im deutschsprachigen Raum über Dungeon Crawl Classics gesprochen. Das liegt natürlich daran, dass eine deutschsprachige Ausgabe vom System Matters Verlag kommen wird.

Wenn man nun schaut und hier und da im Netz liest, dann werden die durchaus sehr positiven Kommentare zu Spielerlebnissen vom sogenannten Trichter beherrscht. Die Idee dabei ist, dass man die Charaktere am Anfang auswürfelt, jeder Spieler mit einer wilden Mischung aus Bauern, Handwerkern und Sonstigen in ein Abenteuer stürmt und nur die überlebenden Charaktere es verdient haben, echte Abenteurer zu sein.

Man kann das mögen, man muss das nicht mögen, aber in jedem Fall ist das Ganze nur ein winziger Teil eines kompletten Rollenspiels. Um da vielleicht ein etwas differenziertes Bild zu bieten, das nicht nach außen wirkt, wie "Geil. Fleischwolf! Schon drei meiner Charaktere tot. Noch nie so viel Spaß gehabt." möchte ich hier mal mein ursprünglich englisches Review von Google+ auf Deutsch wiedergeben und erklären, was mir an DCC Spaß macht.

DCC und Lankhmar Review : Geschrieben im Dezember 2018:


Ich hatte mir das DCC Core Rule Book vor etwa 2 Jahren gekauft, nachdem ich all die guten Dinge über das Spiel gehört habe, aber das Spiel hat mich beim Lesen der Regeln nicht begeistert. Es schien unnötig komplex und hatte so seltsame Dinge wie den Trichter. Also legte ich das Buch in mein Regal und dort lag es für einige Zeit.

Letztes Jahr gab es einen Kickstarter für eine Lankhmar-Box und einige Abenteuer, bei denen die DCC als Regelsystem zum Einsatz kam. Obwohl ich kein Fan von DCC war, bin ich ein risieger Fan von Fritz Leibers Lankhmar Geschichten. Ich habe es also unterstützt mit dem Plan, das mit den Regeln von Castles & Crusades oder etwas anderem OSR-artigen zu spielen.  Nach ein paar Diskussionen über das Spielen im Allgemeinen und OSR in der Google+ Community kam ich zu dem Schluss, dass es nicht schaden kann, die Abenteuer in der ursprünglichen DCC-Version auszuprobieren.

Was ist DCC?

Man könnte erwarten, dass Dungeon Crawl Classics ein Rollenspiel wäre, das dem klassischen D&D und Rollenspielen dieser Art sehr ähnlich ist, aber in Wahrheit ist es das nicht ganz. Es bietet einige Konzepte, die dem ursprünglichen D&D sehr fremd sind, wie Zauberbrand, Merkurische Magie und Glück.

DCC hat vier Klassen: Zauberer, Kleriker, Krieger und Dieb und drei Klassen-Als-Rasse: Elfen, Zwerge und Halblinge. Letztere sind mehr oder weniger die Stereotypen, die man nach dem Lesen der EDO-Fantasy-Literatur erwarten würde, sie mischen Merkmale bestimmter Klassen als allgemeinen Teil der Rasse. Ein Halbling ist diebisch, ein Zwerg eher Krieger und ein Elf ein kämpfender Zauberer.

Aber um einen besseren Eindruck zu bekommen, etwas genauer: Jede Klasse hat eine gewisse Wendung im Vergleich zu D&D. Krieger erhalten einen Großtat-Würfel, d.h. einen zusätzlichen Würfel (W3 auf erster Stufe), um Angriffs- und Stärkewürfe zu ergänzen, die es ermöglichen, bestimmte Großtaten auszuführen. Diebe haben die üblichen Diebesfähigkeiten, aber auch die Fähigkeit, ihr Glück viel besser zu ihrem Vorteil zu nutzen. Zauberei funktioniert, indem ein W20 geworfen wird, um die Stärke des Zaubers zu bestimmen, z.B. kann schon ein Zauber der ersten Stufe sehr tödlich sein, wenn der Charakter eine natürliche 20 würfelt. Während eine natürliche 1 zu schlechten Folgen für den Zauberwirker führen kann, z.B. zu einer Veränderung des körperlichen Aussehens in sehr schlechter Weise. Zauberer können ihre Magie bis zum Limit ausreizen, indem sie Attributspunkte opfern, um zusätzlichen Bonus auf den Wurf zu erhalten. Diese Punkte werden mit einer Rate von 1 Punkt pro Tag aktualisiert. Es ist zum Beispiel nicht ungewöhnlich für einen Zauberer, dass er oder sie sich selbst erschöpft und einige Punkte der Stärke oder Ausdauer verbrennt, um einen mächtigeren Zauber zu bewirken. Einige Zauber erfordern sogar eine solche  Verbrennung, um überhaupt zu funktionieren.

Bei allen Würfen kann sich der sogenannte Aktionswürfel durch Magie oder Level bis zu einem W24 ändern oder ein Charakter kann einen zusätzlichen W14 oder W16 als zweiten Aktionswürfel erhalten, so dass es viel mehr Varianz im System gibt.

Mein erster Eindruck durch einfaches Lesen war aber wie gesagt negativ. Es wirkte vieles seltsam und kompliziert. Erst beim Spielen stellte sich heraus, dass die Mechanismen im Spiel sehr robust zu sein scheinen. Ich hatte vorher das Gefühl, dass der sehr zufällige Ansatz die Charaktere schwächen würde, aber im Allgemeinen macht das die Fähigkeit, Glück zu verbrennen, um das Ergebnis zu beeinflussen und einen Glückswurf (der früher oder später kommen wird) zu haben, der den Tag rettet, wett.
 

Trotzdem ist es wahrscheinlich,  wie es im Regelbuch heißt, dass Charaktere keine höheren Stufen erreichen werden, weil sie einfach vorher sterben. Ein Konzept, das ich nie gespielt habe, weil es explizit aus dem Spiel für Lankhmar genommen wurde, ist der Trichter. Der Trichter ist, dass das erste Abenteuer jeden Spieler mehrere Null-Stufen-Charaktere ausführen lässt, die im Laufe des Trichters sterben, und der überlebende Charakter ist der Erststufen-Charakter, den man in Zukunft spielt. Ich verstehe, dass Leute diese Art von Zufälligkeit mögen können und mit gedrückten Daumen da sitzen, um zu hoffen, dass ihr Favorit überlebt.

Wie fühlt es sich an, zu spielen?

Ich habe drei Sitzungen im Lankhmar-Setting geleitet, und es funktioniert tatsächlich und hat mir als Richter (so heißt der SL in DCC) und meinen Spielern einige schöne Rollenspielsitzungen verschafft. In einer Teilgruppe funktionierte es besser als in der anderen und um ehrlich zu sein, brauchte ich ein wenig, um die Verrücktheit des Systems zu akzeptieren, aber ich kann mir leicht vorstellen, dass ich DCC öfter leiten werde.

Fazit

Meine abschließende Bemerkung ist von anderer Natur: Ich habe schon öffentlich Leute kritisiert, weil sie lange Rezensionen herausgegeben und Ratschläge über Spiele gegeben haben, die sie nicht gespielt haben, und dies ein weiteres Beispiel dafür, warum es wichtig ist, die Dinge, über die man schreibt, wirklich auszuprobieren. Eine Lesebesprechung hätte auf alle möglichen Verrücktheiten und Mängel des Systems hingewiesen, die sich als nicht so wichtige oder gar sympathische Eigenheiten erweisen. Es ist wichtig, aufgeschlossen zu bleiben.


Wie sieht es heute aus?

Mit einer Gruppe spiele ich noch immer und das ganze als fortlaufende Kampagne. Die Regeln und das ganze Umfeld von DCC und Lankhmar fühlen sich inzwischen normal an und man kann damit Spaß haben, ohne es zu übertreiben.

Durch die andere Behandlung von Glück in den Settingregeln von Lankhmar ist auch noch keiner der Charaktere zu Tode gekommen.

Ich kann also nur jedem empfehlen sich selbst ein Bild von DCC zu machen und fände es auch schön, wenn man mehr von DCC in freier Wildbahn zu hören bekäme, als die Hitlisten der coolsten Charaktertode. Das verkauft nämlich ein superschönes Rollenspiel ganz weit unter Wert.

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